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Vom Kämpfen, Hoffen und Glauben – Mein Sohn bekommt eine Chance


Ich schreibe diesen Blogartikel mit Tränen in den Augen. Tränen der Erleichterung. Der Dankbarkeit. Und ja – auch des Stolzes. Denn mein Sohn – mein wunderbarer, kluger, feinfühliger autistischer Sohn – hat es geschafft! Wir haben es geschafft! Er darf im September eine Online-Ausbildung beginnen. Finanziert über das Arbeitsamt im Reha-Status.

Und ich möchte unsere Geschichte erzählen. Nicht, um Mitleid zu bekommen. Sondern, um anderen Eltern Mut zu machen. Denn der Weg war alles andere als leicht.

Ein Kind, das nicht ins Raster passt

Mein Sohn war nie wie andere. Er konnte mit drei fließend sprechen, aber verweigerte den Kindergarten. Er hatte ein unglaubliches Wissen über Technik, IT und Computersysteme – aber schaffte es nicht, morgens in die Schule zu gehen. Zu laut. Zu viel. Zu unverständlich.

Er wurde als „verhaltensauffällig“ abgestempelt, aber niemand sah, wie sehr er kämpfte, jeden Tag. Wie klar er in seinen Gedanken war. Wie sensibel für Ungerechtigkeit. Wie sehr er sich wünschte, einfach dazugehören zu dürfen – ohne sich zu verbiegen.

Das Schulsystem – ein Ort der Überforderung

Die Schule wurde irgendwann zum Ort der Überforderung. Der Druck stieg. Die Hilfen blieben aus. Stattdessen kamen Drohungen, Jugendamt, Psychiatrie-Empfehlungen. Ich wurde als Mutter in Frage gestellt. Unsere Bindung, unser Alltag, unsere Lebensrealität wurde kaum verstanden. Diagnosen wurden über unseren Kopf hinweg getroffen. Und der Fokus lag nicht auf Lösungen, sondern auf Anpassung.

Ich wurde zur Anwältin meines Sohnes

Ich recherchierte nächtelang. Ich schrieb Widersprüche. Ich lernte Fachbegriffe, Gesetze, Zuständigkeiten. Ich telefonierte mit Ärzten, Anwältinnen, Therapeuten, Berufsbildungswerken. Ich sammelte Gutachten, Belege, Nachweise. Ich wurde laut. Und unbequem.

Denn ich wusste: Mein Sohn ist nicht krank. Er ist auch nicht faul. Er ist autistisch. Und das ist keine Störung – sondern eine andere Art, die Welt zu erleben.

Der Wendepunkt: Der Reha-Status

Der entscheidende Schritt war der Antrag auf den Rehabilitationsstatus bei der Agentur für Arbeit. Ich wusste: Wenn wir das schaffen, können Türen aufgehen, die sonst verschlossen bleiben.

Und es war ein harter Weg. Aber wir haben ihn geschafft. Alle Unterlagen, Gutachten, Gespräche, Zweifel – sie haben sich ausgezahlt. Mein Sohn wurde als Rehabilitand anerkannt. Damit stehen ihm nun Fördermöglichkeiten offen, die seinem Tempo, seiner Art zu denken, seinem besonderen Talent gerecht werden.

Ab September beginnt seine Online-Ausbildung

Und jetzt ist es offiziell: Im September startet er seine Ausbildung zum Fachinformatiker – online, in einer kleinen Lerngruppe, mit Rücksicht auf seine Bedürfnisse.

Ein Weg, den viele nicht sehen. Der oft verborgen bleibt. Aber er existiert. Und mein Sohn darf ihn jetzt gehen.


Was ich anderen Eltern sagen will

Wenn du ein Kind hast, das nicht ins System passt – glaub an dein Kind. Auch wenn du müde bist. Auch wenn du nicht mehr weiterweißt. Auch wenn sie dir das Gefühl geben, du seist schuld.

Du bist nicht schuld. Dein Kind ist nicht falsch. Es braucht nur einen anderen Rahmen, andere Menschen – und manchmal eine Mutter, die nicht aufhört, für es zu kämpfen.

Und mein Sohn?

Er hat nie aufgehört, er selbst zu sein. Trotz allem. Trotz Schule. Trotz Behörden. Trotz Zweifel. Und jetzt darf er genau das machen, was er liebt: Computer, Programmieren, Lernen auf seine Art.

Und ich bin einfach nur: dankbar.

Wenn du mehr darüber wissen willst, wie man den Reha-Status beantragt, welche Voraussetzungen es gibt oder wie ich die Ausbildung gefunden habe – schreib mir gern. Ich teile mein Wissen. Für dich. Für dein Kind. Für mehr Chancen, wo sonst nur Grenzen zu sein scheinen.


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