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Unser Weg mit Mika – Ein Zwischenstand aus dem Alltag mit einem besonderen Jungen ein Bericht der Mutter

Ein Erfahrungsbericht aus dem Jahr 2017 von Mikas Mutter

Mika kam im April 2010 zur Welt – ein strahlender Junge mit einem besonderen Blick auf die Welt. Heute, im Jahr 2017, schaue ich als Mutter mit Stolz, Erschöpfung, aber vor allem mit unendlicher Liebe auf die Entwicklungen und Herausforderungen zurück, die wir gemeinsam gemeistert haben.

Ein Alltag zwischen Schulbesuch und innerem Widerstand

Seit seiner Einschulung im September 2016 hat sich viel verändert. Mika geht regelmäßig zur Schule – mit ein paar Ausnahmen. An manchen Tagen braucht er einfach mehr Zeit und schafft es erst zur zweiten Stunde. Und an Freitagen sagt sein Körper manchmal einfach „nein“.

Seine Teilnahme am Unterricht ist stark von seiner Tagesform abhängig. Denn: Mika kämpft nicht gegen Schule – er kämpft mit dem Verlassen des sicheren Zuhauses, mit der Reizüberflutung draußen, mit all den lauten Stimmen in seinem Kopf. Seine Unruhe beginnt oft schon lange, bevor er überhaupt das Haus verlässt.

Der Schulstart: ein leiser Kampf

Der Übergang in die Schule war ein echter Kraftakt – für Mika, für uns als Familie, aber auch für mich ganz persönlich. Es war schnell klar: Ein klassischer Einstieg mit Schulranzen und Vorfreude auf die neuen Freunde war für Mika nicht vorgesehen. Stattdessen starteten wir mit spielerischen Gesprächen über Schule – warum sie wichtig ist, was ihm daran gefällt, und was nicht. Es ging darum, seine Stärken und Schwächen greifbar zu machen und ihn emotional zu begleiten. Denn alles hängt zusammen: Schule, Familie, Geschwister, Spieltherapie – und natürlich Mikas innere Welt.

Mika und die Welt da draußen

Es gibt Tage, da möchte Mika unbedingt mit zu einem Ausflug. Doch sobald wir unterwegs sind, spürt man: Der Trubel macht ihm zu schaffen. Je mehr Menschen, je mehr Geräusche, je mehr Eindrücke – desto mehr verliert er sich. Oft verarbeitet er diese Reizüberflutung nachts. Er schreit, weint, ruft laut „nein“ – manchmal ohne sich am nächsten Morgen daran erinnern zu können. Ihn dann zu beruhigen, ihn überhaupt zu wecken, ist eine Herausforderung, die mir als Mutter sehr nahegeht.

Zwischen Kraft und Erschöpfung

Gerade in der Vorweihnachtszeit war es besonders schwer. Es gab Tage, an denen ich nicht zur Arbeit gehen konnte, weil Mika völlig übermüdet war. Dann wieder musste ich ihn mit sanfter Entschlossenheit irgendwie zur Schule begleiten – in dem Wissen, dass sein inneres Gleichgewicht jederzeit kippen kann.

Schule und Integration – eine Herausforderung

Die Zusammenarbeit mit der Schule ist nicht immer leicht. Ich war von Anfang an realistisch: Eine vollständige Integration ist bei einem Kind wie Mika nicht einfach. Dennoch habe ich den Wunsch, ihn bis zum Ende der zweiten Klasse aktiv zu begleiten. Sein Umfeld wächst – zwei neue Spieltherapeuten aus der Alice Salomon Hochschule sind dazugestoßen. Im Sommer steht eine große Team-Evaluation an.

Mika in der Familie

Ich selbst habe inzwischen zum dritten Mal den Job gewechselt – immer mit dem Ziel, alles unter einen Hut zu bekommen: Arbeit, Miete, Schulweg, Therapien. Meine Tochter ist mittlerweile im ersten Lehrjahr zur Friseurin, unser Nesthäkchen Luis wird von allen geliebt – auch von Mika.

Die Beziehung zwischen den Brüdern ist etwas Besonderes. Luis ist der einzige Mensch, den Mika körperlich ganz nah an sich heranlässt. Oft ist Luis auch Teil der Spielstunden – so lernen die beiden spielerisch, Konflikte mit Liebe und Respekt zu klären. Körperliche Nähe, klare Regeln und Abgrenzung – all das gehört zu ihrem gemeinsamen Lernweg.

Ein Blick nach vorn

Ab dem 18. April 2017 startet eine neue Phase: Direkt nach der Schule werden Spielstunden organisiert, in denen der Fokus auf den Inhalten des Unterrichts liegt. Ein Gespräch mit dem Schulsozialarbeiter ist geplant – auch wenn ich selbst unsicher bin, ob das aktuell der richtige Weg für Mika ist. Denn einerseits möchte er dazugehören, andererseits weiß er genau, wie sehr ihn gewisse Situationen überfordern.

Mika beginnt Fragen zu stellen. Er beginnt zu hinterfragen, warum er in manchen Momenten so ist, wie er ist. Und das ist der Anfang von etwas Großem.

Mein Herzenswunsch

Ich wünsche mir, dass wir bald im SPZ eine 14-tägige Schlafüberwachung durchführen können. Ich möchte an allen neuen Möglichkeiten teilhaben, die uns im Umgang mit Autismus unterstützen können. Denn eines weiß ich sicher:

Mika ist das größte Geschenk meines Lebens.
Er fordert mich heraus, macht mich stärker, achtsamer, bewusster.
Und er erinnert mich jeden Tag daran, dass Liebe, Geduld und Dankbarkeit die wahren Säulen unseres Lebens sind.

Ich danke Gott für mein Kind.
Und ich danke allen Menschen, die uns auf diesem Weg begleiten.

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