Es war Winter. Und während draußen die Welt zwischen Schneematsch und grauem Himmel stillzustehen schien, tobte drinnen ein Alltag, der alles andere als still war. Ich war allein mit drei Kindern.
Laney, meine älteste Tochter – mitten in der Pubertät.
Luis, noch klein und wild.
Und Mika, mein Sohn, mein Rätsel, mein größter Lehrer. Autistisch. Hochsensibel. Unfassbar klar und gleichzeitig unerreichbar in sovielen Momenten, wie nicht hier.
Ich war alleinerziehend und in Berlin, wir waren von Stuttgart nach Berlin gezogen, nach der Geburt von Luis 2012.
In Fellbach / Stuttgart hatte mir der Vermieter die Wohnung gekündigt, weil die Nachbarn den Kinderwagen und den "Lärm" der Kinder nicht wollten.
Eine meiner besten Freundinnen hatte uns bei sich aufgenommen, wir lebten da auf 3 Zimmer zu siebt. Von Dezember 2012 bis März/ April 2013. Die Wohnung nach einem Wasserschaden im Juni 2013 gerade wieder halbwegs bewohnbar.
Und trotzdem: Ich hatte Hoffnung. Ich wollte etwas verändern. Für mich. Für meine Kinder. Für Mika, der das Familienleben bestimmte, ohne es zu wollen. Der unsere Wochenenden strukturierte, unsere Routinen bestimmte – weil jede Abweichung für ihn eine Katastrophe bedeutete.
Zwischen Ausbildung und Betreuung – ein Leben auf Messers Schneide
Ich hatte gerade die Ausbildung zur Ganzheitskosmetikerin begonnen, ich fand keine Stelle in meinem Beruf. Ich bin Sozialversicherungsfachangestellte Ich wollte raus aus der Abhängigkeit, etwas Eigenes aufbauen. Und ich war gut – sogar sehr gut. Die Leistungen stimmten. Die Schule lobte mich. Aber gleichzeitig: Ich stand kurz vor dem Burn-out.
Denn tagsüber war ich Schülerin – und abends wieder alles: Mutter, Therapeutin, Köchin, Krisenmanagerin. Die Betreuungssituation für Mika war noch nicht geklärt. Das persönliche Budget beantragt, aber nicht bewilligt. Die Verhinderungspflege in Aussicht, aber nicht da. Also trug ich alles allein.
Laney – mein ältestes Kind, mein schlechtes Gewissen
Und da war da noch Laney. 13 Jahre alt. Zwischen Schule, Nachhilfe, *Peer-Druck und wachsendem Rückzug. Ich machte mir Sorgen. Ich sah, dass sie zu kurz kam. Dass sie sich nach Orientierung sehnte – nach Nähe, nach einem Vater, den es so nicht gab. Ich wollte ihr ein männliches Vorbild an die Seite stellen, einen Mentor. Jemanden, der einfach da ist. Nicht als Ersatz. Sondern als Anker.
Ich versuchte, sie in Gespräche einzubeziehen. In Entscheidungen. Ich suchte Nachhilfe, musikalische Förderung, Freizeitaktivitäten. Aber oft fehlte mir die Zeit – und manchmal auch die Kraft.
*„Peer-Druck“ (auch: Gruppenzwang) bedeutet, dass jemand sich von Gleichaltrigen oder einer bestimmten Gruppe unter Druck gesetzt fühlt, etwas zu tun, zu sagen oder zu sein, um dazuzugehören.
Mika – ein kleiner Junge mit großer Macht
Mika war damals mitten in der Diagnostik im SPZ Berlin-Weißensee. Nachdem wir einen Tag vor meinem Geburtstag im Dezember 2012 die erstmalige Diagnose "Frühkindlicher Autismus" im Olgahospital in Stuttgart bekommen haben. Er hatte soviele Auffälligkeiten.
Die Frage war nicht mehr, ob er autistisch ist – sondern wie man ihm gerecht wird. Er bestimmte unsere Tagesabläufe. Nicht aus Egoismus. Sondern aus Notwendigkeit. Wenn er nicht schlafen konnte, schlief niemand. Wenn er eine Krise hatte, mussten alle innehalten.
Und trotzdem: Ich liebte ihn bedingungslos. Ich kämpfte. Ich suchte Wege. Ich bin nach der Diagnose im Olgahospital den ganzen Tag & die ganze Nacht am Rechner gesessen und habe nach Hilfen gesucht. Ich habe wirklich Alles gefiltert. Bei meiner Recherche bin ich auf AUJA.org gestoßen, einer Familie Döhler in Berlin.
Ich telefonierte mit Deniz Daher und spürte, dass das Unser Weg ist, darum sind wir nach Berlin gezogen. 
Ich sprach mit Behörden, dem Autismustherapieverband, mit unserer Familienhilfe, mit Au-Ja. Ich füllte Anträge aus, schrieb Pläne, malte Zeitfenster auf.
Und ich? Ich war oft einfach nur müde.
Nicht müde vom Muttersein. Sondern vom Kämpfen.
Vom Erklären, Rechtfertigen, Starksein-Müssen.
Ich war müde vom „Wenn Sie sich nur besser organisieren würden…“
Vom „Sie müssen nur konsequenter sein…“
Von Blicken. Von Akten. Von dem Gefühl, ständig zu versagen – obwohl ich alles gab.
Aber ich habe nicht aufgegeben.
Heute weiß ich: Ich war nicht am Ende – ich war auf dem Weg.
Aber es war ein ehrlicher. Und ein mutiger. Ich stand da – mit wackligem Fundament, aber festem Willen.
Ich wusste: Ich will es besser machen. Nicht perfekt. Nur besser.
Für meine Kinder. Für Mika. Für Laney. Und auch für mich.
Und an dich, der oder die das liest:
Vielleicht steckst du gerade genau da: In der Ausbildung, in der Krise, im Chaos. Vielleicht fühlst du dich zerrissen zwischen Jugendamt und Jobcenter, zwischen Kindertränen und Kitaformularen.
Dann möchte ich dir sagen:
Du bist nicht falsch.
Du bist vielleicht einfach nur müde.
Aber du bist da. Und das zählt.
Du kämpfst. Und das sieht man. Auch wenn es niemand sagt.
Und wenn du manchmal denkst: Ich schaff das nicht –
dann atme.
Lies das hier nochmal.
Und geh weiter.
Einen Tag nach dem anderen.
Denn du machst das großartig & mit all Deiner Liebe.
Schreib mir gerne, ich bin da für Dich.
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