Manche Jahre brennen sich tief in die Erinnerung. 2015 war so ein Jahr. Es war das Jahr, in dem wir langsam begannen zu verstehen, dass unser Weg nicht der Norm folgen würde. Und es war das Jahr, in dem ich anfing zu begreifen, dass mein Sohn Mika seine ganz eigene Sprache hat – eine Sprache jenseits der Worte.
Lisa, unsere Spielraumhelferin, hat uns in diesem Jahr intensiv begleitet. Und in ihrem Jahresbericht steckt so viel Wahrheit, dass es mir heute – Jahre später – immer noch die Kehle zuschnürt, wenn ich ihn lese.
Mika war damals fünf Jahre alt. Und voller innerer Gegensätze.
Einerseits wollte er spielen, lachen, entdecken. Andererseits überforderte ihn alles, was neu war – Menschen, Räume, Geräusche, selbst Kleidung. Jeder Tag war ein Balanceakt: zwischen Nähe und Rückzug, zwischen Struktur und Freiheit, zwischen Vertrauen und Überforderung.
Er konnte nicht sagen, was ihn störte – also schrie er.
Er wollte dazugehören – aber nicht angefasst werden.
Er suchte Kontakt – und musste ihn sofort wieder abbrechen.
Die Spielraumzeit war unser sicherer Hafen. Dort durfte Mika sein, wie er war. Und dort lernte ich, dass seine Wut, seine Ablehnung, sein Schreien keine Trotzreaktionen waren. Es war Schmerz. Reizüberflutung. Kontrollverlust. Und ganz oft: Angst.
Mika konnte nicht alleine gelassen werden. Nicht im Kindergarten. Nicht in neuen Situationen. Nicht in der Nacht.
Noch heute erinnere ich mich an die Abende, an denen ich stundenlang an seinem Bett saß, weil er sich in einem Strudel aus „Fass mich nicht an!“ und „Geh nicht weg!“ verlor. Ich war seine Konstante. Seine Erdung. Seine Verbindung zur Außenwelt – und manchmal auch seine Zielscheibe.
Und trotzdem: Es gab Fortschritte. Kleine, zarte, aber für uns riesige Schritte.
Mika konnte plötzlich manchmal sagen: „Ich brauche Ruhe.“
Er fing an, zu fragen: „Wann gehst du?“ – anstatt nur zu weinen.
Er spielte mit seinem kleinen Bruder Luis – und zeigte Fürsorge.
Ich habe in diesem Jahr gelernt, dass Entwicklung nicht linear ist. Dass Rückschritte dazugehören. Dass es keine „pädagogische Lösung“ für alles gibt. Aber es gibt Beziehung. Vertrauen. Und echte, achtsame Begleitung.
2015 war das Jahr, in dem ich endgültig verstand:
Ich kann die Welt nicht so bauen, dass sie für Mika passt.
Aber ich kann unsere Welt so gestalten, dass er darin atmen kann.
Und ich bin unendlich dankbar, dass ich diesen Weg mit ihm gehen darf.
Denn Mika ist nicht das Problem.
Er ist der Weg. Der Schlüssel. Der Spiegel.
Er ist mein Kind. Und das größte Geschenk meines Lebens! 
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