Ich bin Melanie. Mama von Mika. Und ich schreibe diesen Text nicht aus Wut oder Enttäuschung, sondern weil ich glaube, dass Geschichten wie unsere erzählt werden müssen. Damit andere Eltern sich verstanden fühlen. Und damit sichtbar wird, was es heißt, wenn Schule für ein Kind einfach nicht (mehr) geht.
Mika ist 14. Er spricht hervorragendes Englisch – frei, flüssig, sicher. Nicht, weil ihm das jemand beigebracht hat, sondern weil er sich selbstständig mit Dingen beschäftigt, die ihn interessieren. Technik, IT, Sprache – darin geht er auf.
Eines Tages hat er sich über eine App auf dem iPad das Keyboardspielen beigebracht. Die App erkannte, ob die gespielten Töne richtig waren, und führte ihn Schritt für Schritt von Kapitel zu Kapitel. Ich werde nie vergessen, wie er mir plötzlich „No Woman, No Cry“ von Bob Marley vorspielte – obwohl er das Lied vorher gar nicht kannte. Es war richtig. Alles daran. Ich war sprachlos. Es war einer dieser Momente, in denen ich dachte: Wow. Was für ein Junge.
Aber in der Schule konnte er nicht zeigen, was in ihm steckt.
Wechselnde Räume, überfüllte Flure, zu viel Lärm, keine festen Strukturen – all das bedeutete für Mika Stress, den man ihm vielleicht nicht sofort ansah, der sich aber tief in ihm festsetzte. Reizüberflutung. Überforderung. Rückzug.
Er versuchte es – immer wieder. Doch nach dem Unterricht saß er oft stundenlang im Auto. Bewegte sich nicht. Sagte nichts. Es war, als müsste er sich von innen wieder zusammensetzen. Und dann – immer, jeden Tag – stieg er in den kalten Pool. Auch im Herbst. Auch bei eisigen Temperaturen. Bis zum 2. November 2023 ging das so. Jeden Tag. Erst danach wurde es offiziell: Mika ist schulbesuchsunfähig. Seine Ärztin hat es schriftlich bestätigt.
Er hatte keine Kraft mehr. Die Zwänge wurden stärker. Besonders beim Thema Hygiene. Seine Hände waren wund. Und sein Herz war müde.
Die Schule war überfordert – das ist kein Vorwurf. Es fehlt überall an Personal, an Rückzugsorten, an Zeit. Aber das ändert nichts an Mikas Bedürfnissen.
Im Sommer 2024 wurde gemeinsam festgestellt: Die reguläre Beschulung ist für Mika nicht mehr möglich. Er lebt sehr zurückgezogen, hat die 8. Klasse kaum besuchen können. Aber er ist lernfähig. Er will lernen. Nur eben anders.
Eine mögliche Lösung: die Web-Individualschule. Einzelunterricht, ein geschützter Raum, kein Gruppenlärm, kein ständiger Wechsel. Vielleicht ein Neuanfang.
Ich schreibe das, weil ich weiß, dass viele Eltern ähnliche Wege gehen. Und weil ich sagen möchte: Euer Kind ist nicht falsch. Es braucht vielleicht nur einen anderen Weg. So wie Mika.
Ich sehe ihn. Jeden Tag. Und ich bin stolz.
Von Herzen,
Melanie
♥︎
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