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Mika 2024 – Wenn Autismus nicht das Problem ist, sondern die Welt da draußen 1. Versuch einer Rehabilitation

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht damit: Mika hat es geschafft. Wir haben es geschafft. Wieder mal. Aber auf welchem Weg – das muss man erzählen. Mika ist 14. Ein Teenager. Ein Junge mit Spezialinteressen: Musik, Zeichnen, PC. Einer, der sich selbst Keyboard beigebracht hat, der Tracks produziert, der sich Videos auf Englisch anschaut, obwohl nie jemand mit ihm Englisch geübt hat. Ein Kind, das sich ständig selbst etwas beibringt – wenn man ihn nur lässt. Er hat klare Vorstellungen. Vom Leben. Vom Alltag. Von dem, was geht – und was gar nicht. Langärmlige Kleidung geht gar nicht. Berührungen auch nicht. Gesichter, Mimik, Gestik – schwer. Spontanität? Fast unmöglich. Mika nimmt alles wörtlich. Und ich nehme ihn wörtlich. Weil ich ihn kenne. Weil ich weiß, dass sein „Nein“ ein echtes Nein ist – nicht ein „vielleicht“. Dass sein „Ich kann das nicht“ kein Bock ist – sondern eine Reizblockade. Und trotzdem hat er es geschafft. Trotz seiner Ängste. Trotz der Welt, die ihn ...

Titel: Rückblick 2015 – Als wir lernten, Mikas Welt zu verstehen

Manche Jahre brennen sich tief in die Erinnerung. 2015 war so ein Jahr. Es war das Jahr, in dem wir langsam begannen zu verstehen, dass unser Weg nicht der Norm folgen würde. Und es war das Jahr, in dem ich anfing zu begreifen, dass mein Sohn Mika seine ganz eigene Sprache hat – eine Sprache jenseits der Worte. Lisa, unsere Spielraumhelferin, hat uns in diesem Jahr intensiv begleitet. Und in ihrem Jahresbericht steckt so viel Wahrheit, dass es mir heute – Jahre später – immer noch die Kehle zuschnürt, wenn ich ihn lese. Mika war damals fünf Jahre alt. Und voller innerer Gegensätze. Einerseits wollte er spielen, lachen, entdecken. Andererseits überforderte ihn alles, was neu war – Menschen, Räume, Geräusche, selbst Kleidung. Jeder Tag war ein Balanceakt: zwischen Nähe und Rückzug, zwischen Struktur und Freiheit, zwischen Vertrauen und Überforderung. Er konnte nicht sagen, was ihn störte – also schrie er. Er wollte dazugehören – aber nicht angefasst werden. Er suchte Kontakt – und musste...

Wenn ein Gutachten alles zerstört – wie wir durch die Jugendhilfe fallen gelassen wurden 2024

Es gibt Erlebnisse, die brennen sich so tief ein, dass man sie nie mehr vergisst. Der Tag, an dem ich das Gutachten der vom Jugendamt beauftragten Psychiaterin in den Händen hielt, war so ein Tag. Ich wusste: Das wird alles verändern. Und leider nicht zum Guten. Ich bin Mutter eines autistischen Kindes. Mein Sohn ist hochfunktional, hochsensibel, klug – und ein Mensch mit ganz speziellen Bedürfnissen. Seine Zwangshandlungen, seine Reizoffenheit, seine tiefe Überforderung mit dem Lärm und Chaos in der Schule – all das haben wir gemeinsam getragen. Jahre lang. Ich habe gekämpft, organisiert, beantragt, dokumentiert – und immer gehofft, dass Hilfe kommt. Richtige Hilfe. Nicht Kontrolle. Nicht Druck. Nicht Drohungen. Und dann kam das Gutachten. Eine Psychiaterin, die ihn nie wirklich kannte. Ein paar Gespräche (sie hatte 3 mit meinem Sohn)– und ein Urteil, das uns den Boden unter den Füßen wegriss: Plötzlich galt nicht mehr, was unsere vertrauten Therapeut:innen, sein Schulbegleiter, die L...

Alleingelassen im System – ein Hilfeschrei einer Mutter - Schulpflichtbefreiung / Online-Beschulung 2023 bis jetzt

Ich bin die Mutter eines wunderbaren, hochintelligenten, hochsensiblen Jungen. Mein Sohn ist Autist. Er leidet unter Zwangsstörungen, einer posttraumatischen Belastungsstörung, emotionalen Erschöpfungszuständen. Und er hat mich gebraucht. Aber ich frage mich immer wieder: Wo war das System, das uns hätte auffangen sollen? Seit Oktober 2023 versuche ich, Hilfe zu bekommen. Keine Almosen, sondern rechtlich zustehende Eingliederungshilfe. Ich habe geschrieben, gefleht, erklärt. Ich habe Atteste, Gutachten, Stellungnahmen gesammelt – die alle das Gleiche sagen: Mein Sohn kann nicht mehr in die Schule gehen. Es ist für ihn eine Qual. Eine Gefahr für seine psychische Gesundheit. Und trotzdem: nichts. Ein monatelanges, kafkaeskes Hin und Her. Anträge werden ignoriert, verschleppt, zerpflückt. Alles, was ich vorschlage – wird zerredet. Selbst als die Schule meines Sohnes offen zugab, dass die Inklusion gescheitert ist und Online-Beschulung für ihn der beste Weg wäre, hat das Jugendamt gezögert...

17. Dezember 2012 – Als mir klar wurde, dass mein Kind anders ist

Es war ein Montag. Der 17. Dezember 2012. Stuttgart, Olgahospital. Ein Tag, den ich nie vergessen werde. Ich war mit Mika dort. Mein Sohn. Damals gerade zweieinhalb Jahre alt. Zart und irgendwie… anders. Nicht krank. Nicht böse. Nicht zurückgeblieben. Aber auch nicht „wie andere“. Ich war diejenige, die es gesehen hat. Die es gespürt hat. Lange, bevor ein Arzt das Wort „Autismus“ in den Mund nahm. Die ersten Auffälligkeiten – als die Welt zu laut wurde Mika war noch sehr klein, als mir auffiel, dass er Lärm nicht ertragen konnte. Nicht im Sinne von „Mag ich nicht“, sondern auf eine Art, die ihn körperlich zusammenbrechen ließ. Das Geräusch eines Staubsaugers – als würde es ihm wehtun. Das Quietschen von Schuhen in einem Flur – und er zuckte zusammen. Menschenansammlungen – und Mika wurde panisch. Er reagierte mit Schreien, Zittern, Rückzug oder Flucht. Manchmal schmiss er sich auf den Boden. Manchmal versteckte er sich. Und oft war er danach stundenlang erschöpft – wie nach einem körpe...

Januar 2013 – Zwischen Verantwortung, Erschöpfung & unerschütterlicher Liebe

Es war Winter. Und während draußen die Welt zwischen Schneematsch und grauem Himmel stillzustehen schien, tobte drinnen ein Alltag, der alles andere als still war. Ich war allein mit drei Kindern. Laney, meine älteste Tochter – mitten in der Pubertät. Luis, noch klein und wild. Und Mika, mein Sohn, mein Rätsel, mein größter Lehrer. Autistisch. Hochsensibel. Unfassbar klar und gleichzeitig unerreichbar in sovielen Momenten, wie nicht hier. Ich war alleinerziehend und in Berlin, wir waren von Stuttgart nach Berlin gezogen, nach der Geburt von Luis 2012. In Fellbach / Stuttgart hatte mir der Vermieter die Wohnung gekündigt, weil die Nachbarn den Kinderwagen und den "Lärm" der Kinder nicht wollten. Eine meiner besten Freundinnen hatte uns bei sich aufgenommen, wir lebten da auf 3 Zimmer zu siebt. Von Dezember 2012 bis März/ April 2013. Die Wohnung nach einem Wasserschaden im Juni 2013 gerade wieder halbwegs bewohnbar. Und trotzdem: Ich hatte Hoffnung. Ich wollte etwas verändern. ...

März 2015 – Zwischen Polizei, Piraten und dem Wunsch nach Ruhe

Es war das Frühjahr 2015. Mika war klein – äußerlich. Aber in ihm tobte eine Welt, die größer war als viele Erwachsene sie je verstehen würden. Er war vier. Und er war bereits so viel mehr: ein Träumer, ein Denker, ein Rückzugsmeister, ein Forscher. Und er war autistisch. Damals wussten das viele noch nicht. Einige wollten es nicht wissen. Aber ich wusste: Mika braucht mehr – nicht weniger. Spielzeit ist nicht nur Spiel – sie ist ein Fenster in die Seele Dreimal die Woche kam jemand zu uns. Zwei bis vier Stunden. Ein vertrautes Gesicht. Jemand, der nicht bewertet, nicht fordert, nicht drängt – sondern spielt. Spielzeit war Mikas sicherer Raum. Er spielte gern Polizei gegen Diebe, Ritter, Drachen, Piraten. Fantasie war sein Zufluchtsort. Und doch war jeder neue Vorschlag, jede Umstellung im Spiel, eine potenzielle Krise. Wenn etwas anders war als erwartet – wenn Figuren vertauscht wurden, Regeln sich veränderten, neue Gesichter auftauchten – dann brach seine Ordnung zusammen. Nähe ist e...